Die Freiheit der Anderen

Aufführung Highs&Lows vom 1.KlangClub

Revolutionäre Bauern – Chinesischer Bürgerkrieg und 500 Jahre deutscher Bauernkrieg

Im beginnenden 16. Jahrhundert geriet die Gesellschaftsordnung im deutschsprachigen Raum in eine Systemkrise. Immer mehr weltliche und kirchliche Feudalherren wollten versorgt werden durch immer höhere Steuern und Arbeitsverpflichtungen. Dies brachte die Bauern massenhaft in eine wirtschaftliche Abwärtsspirale, die oft in Verelendung und Leibeigenschaft endete.

Trotz aller Prunksucht der Mächtigen wurden die Herrschaftsverhältnisse lange als göttliche Ordnung allgemein akzeptiert. Intellektuell in Frage gestellt wurde die Feudalgesellschaft vor allem von innen heraus, etwa durch Hus, Savonarola, Luther, Erasmus oder Zwingli. Durch Luthers Bibel-Übersetzung und die protestantische Überzeugung, dass jeder einzelne Mensch sich direkt vor Gott rechtfertigen müsse, emanzipierten sich die Gläubigen der katholischen Kirche gegenüber. Damit delegitimierte Luther die gesamte Gesellschaftsordnung, mit der Folge erschreckender Gewaltexzesse, begangen von beiden Seiten.

Die Lage in China zu Beginn des 20. Jahrhunderts weist dazu viele Parallelen auf. Die Not der Landbevölkerung war ein bedrückender Beleg für die Krise der überkommenen Gesellschaftsverhältnisse unter dem Druck der Kolonisation. So stützte sich die KP im Bürgerkrieg weitgehend auf oft miserabel bewaffnete Bauern. Mao Zedong blieb bei dieser Strategie, als er sich innerhalb der KP durchsetzte. Der Blutzoll der Landbevölkerung war enorm.

Der Große Sprung nach vorn, der die Lage der Bauern strukturell verbessern sollte, endete nach anfänglichen Erfolgen in einer apokalyptischen Hungersnot. Wesentlich stärker im kollektiven Bewusstsein (zumindest des Westens) verankert ist demgegenüber die Kulturrevolution, obwohl sie bei aller grausamen Zerstörung traditioneller Bindungen viel weniger Todesopfer kostete. Doch zynisch gesprochen waren die Opfer diesmal „wertvoller“: städtisches Bürgertum und Intellektuelle, die oftmals „nur“ zu dem Leben gezwungen wurden, das für große Teile der chinesischen Bevölkerung lebenslanges Schicksal war und teilweise auch heute noch ist: Immer noch gehören Abermillionen von Chinesen der Landbevölkerung an.

Wir wollen in Die Freiheit der Anderen Fragen an die Gegenwart stellen. Ob das nun die Gegensätze zwischen Arm und Reich, Stadt und Land, Jung und Alt, akademischen und handwerklichen Milieus oder auch den Konflikt zwischen globalem Norden und Süden betrifft, überlassen wir den Jugendlichen vom KlangClub. Schließlich haben diejenigen, die davon am meisten betroffen sind, auch das feinste Sensorium für soziale Verwerfungen.

Das KlangForum geht mit diesem Musiktheater-Projekt einen mutigen Schritt hin zu einem engen und experimentellen Zusammenwirken von Profis und Jugendlichen:

Die Jugendlichen konzipieren alle relevanten Aspekte (Themensetzung, Libretto, Bühnenbild, musikalische Grundideen) selbst. Sie nehmen auch an den Aufführungen teil, zusammen mit der SCHOLA HEIDELBERG und ensemble aisthesis.

Die Bühnenhandlung ist in ein „klingendes Bühnenbild“ eingebettet, bestehend aus elektroakustisch verstärkten und verfremdeten bäuerlichen Werkzeugen, die von allen bespielt werden. Es gilt dabei nicht nur, elektroakustische Effekte zu verstehen und für das Bühnengeschehen zu nutzen, sondern die Jugendlichen werden auch selbst singen, unterstützt von der SCHOLA HEIDELBERG und ensemble aisthesis.

Auf dem Programm stehen außerdem Werke aus der Zeit des deutschen Bauernkriegs (z.B. Josquin Desprez, Heinrich Isaac und Ludwig Senfl). Die Jugendlichen werden auch in Grundzügen den Umgang mit chinesischen (Volks-) Musikinstrumenten erlernen und chinesische Volkslieder erlernen. Da Volkslieder oft nicht nur einen kollektiven Arbeitsprozess beschreiben, sondern auch die Beteiligten an dieser Arbeit synchronisieren, bieten sich reiche Anknüpfungspunkte für eine szenische Umsetzung.

Die Textgrundlage und der Handlungsablauf wird von den Jugendlichen gemeinsam geschrieben. So ergibt sich eine intensive und ergebnisoffene Auseinandersetzung mit Vergangenheit und gesellschaftlicher Gegenwart. Die Zusammenarbeit erfolgt dabei auf Augenhöhe zwischen den Generationen, womit der Lerneffekt für die Erwachsenen mindestens groß sein wird wie für die Jugendlichen.

In Kooperation mit dem